Türkenmartin, Kalif, Integrationsschmarozer. Provokante Äußerungen stören Martin Neumeyer nicht. Der CSU-Landtagsabgeordnete und Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung ist schwerere Kaliber gewohnt. Selbst Morddrohungen gehören zum schweren Amt. Trotzdem zeigt der „Teppichflieger“, so ein weiteres Schimpfwort, klare Kante, wenn er über das Megathema Flucht und Asyl spricht.
„Ich will Brücken bauen“, sagte Martin Neumeyer beim Sommergespräch des CSU-Ortsverbandes Eschenbach. Im Biergarten des Rußweiher-Restaurants Rodler lauschten rund 40 Besucher den Ausführungen des Migrationsexperten. Sein Credo fasste er schon zu Beginn in den Merksatz: „Nicht zuschauen, handeln“! Der „Deutschenhasser“, ein weiterer der vielen Vorwürfe im Netz, warb für einen „bayerischen Weg“. Und der lautete: „Null Toleranz der Intoleranz“. Um dabei Vorurteile abzubauen, sei es wichtig, zu informieren, fasste Neumeyer seine Strategie der Aufklärung zusammen. „Nicht reden, nicht zuhören? Geht nicht!“, so Neumeyer.
Dazu diene auch das Sommergespräch in Eschenbach, betonte der CSU-Abgeordnete. Bei kühlen Temperaturen war den Besuchern trotzdem nicht nach Frösteln. Zu emotional ist das Thema Flucht und Asyl besetzt. Vom Exotendasein wurde es zum omnipräsenten Politikfeld. Spannungsgeladen berichtete der Redner aus erster Hand über persönliche Erfahrungen und über Vorwürfe aus der Bevölkerung „Für uns ist kein Geld da, den Flüchtlingen wird es in den A... geschoben“. Deshalb sei es wichtig, ehrlich zu informieren, um Vorurteile abzubauen. Reden über die realistischen Notwendigkeiten sei ein Grundpfeiler, dem Hass und der Angst von Bürgern zu begegnen. Trotzdem gelte der Grundsatz: wer verfolgt werde, dem müsse man helfen, stellte Neumeyer klar.
Zu allererst plädierte der Vertreter der Bayerischen Staatsregierung für eine Bekämpfung der Not in der Heimat der Asylsuchenden. „Die Ursachen des Elends müssen wir mildern“. Gerade der Libanon, dessen vier Millionen Einwohner fast zwei Millionen Flüchtlinge aus den Nachbarstaaten aufgenommen habe, sei Mahnung genug, dass Zuschauen keine Option mehr sei. „Es bricht einem das Herz, wenn man das Elend und die Perspektivlosigkeit von Flüchtlingen einmal mit eigenen Augen gesehen hat“, so Martin Neumeyer angesichts der Eindrücke, die ihn seit seinem Besuch im syrischen Flüchtlingscamp Bar Elisas im Libanon beschäftigen. „Natürlich können wir nicht alle Flüchtlinge dieser Welt in Deutschland aufnehmen, aber wir müssen dafür sorgen, dass sie menschenwürdig untergebracht und versorgt werden“, betonte der Redner.
Als gewagt und couragiert bezeichnete der Vertreter der Staatsregierung die berühmten Worte der Kanzlerin: „Wir schaffen das schon“. Aus ihrer Art, Politik zu machen, sei der Satz durchaus konsequent gewesen - menschlich und humanitär richtig, aber politisch falsch. Doch auch mit einer Strategie „wir schaffen das nicht“ wäre die Flüchtlingswelle auf Deutschland zugerollt, mutmaßte Neumeyer. Ein weiterer Schwerpunkt des sogenannten Sommergesprächs galt den künftigen Herausforderungen der Integration. Entscheidende Bedeutung komme dabei dem Arbeits- und Wohnungsmarkt zu. Während sich für anerkannte Flüchtlinge eine dezentrale Unterbringung anbiete, sollten Asylbewerber aus vielerlei Gründen in Gemeinschaftsunterkünften verbleiben, so Neumeyer. Mit Blick auf den Arbeitsmarkt für Migranten äußerte sich Neumeyer skeptisch: „Derzeit kann nur jedem zehnten Asylbewerber direkt ein Arbeitsplatz vermittelt werden“. Der Parlamentarier warnte gleichzeitig vor einem Verdrängungswettbewerb mit sozial Schwächeren um Jobs und Wohnungen. „Wir müssen vermeiden, dass Investitionen in die Integration der Flüchtlinge zu Lasten der einheimischen Bevölkerung gehen“. Denn es gebe das weit verbreitete Meinungsbild: „Für die Asylanten tut der Staat alles, für uns nichts“!
Diese Behauptungen gingen mit einem Vertrauensverlust der Bürger in die Politik und in viele öffentliche Institutionen einher. „Besonders verärgert sind viele Menschen, weil der Flüchtlings-Zuzug in den Augen von Politik, Kirchen und Medien als alternativlos und als große Bereicherung gesehen und die Kosten kleingeredet werden“, verwies Martin Neumayer auf ein großes Grummeln in weiten Bevölkerungskreisen. Das Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Österreich und die Brexit-Abstimmung der Briten seien typisch für die Stimmung in Europa.
Deshalb gelte es, den vielen besorgten Menschen die Angst vor einer Überforderung des Staates und damit verbunden des Einzelnen zu nehmen. Notwendig sei dazu allerdings auch die unabdingbare Bereitschaft der Flüchtlinge, dass Integration nur auf Grundlage westlicher Werte und Normen gelingen könne, bemerkte Martin Neumeyer abschließend. Das neue bayerische Integrationsgesetz zitierend nannte der Gastredner unter anderem die Achtung der Rechtsordnung, ein Bekenntnis zur deutschen Leitkultur und die Beherrschung der deutschen Sprache nach dreijährigem Aufenthalt. Als sehr hilfreich bezeichnete er in diesem Zusammenhang die Integrationshilfen vieler ehrenamtlich Tätiger. Das Sommergespräch hatte in Anwesenheit vieler Kommunalpolitiker aus der Region, unter anderem von Landrat Andreas Meier und seines Stellvertreters Albert Nickl, mit einer Gedenkminute für die Terroropfer von Nizza begonnen.
„Zuschauen ist keine Option“
- Geschrieben von Robert Dotzauer